von Johnny Beton
Dieses Zitat aus der Bhagavad Gita, einer heiligen Schrift des Hinduismus, gab Robert Oppenheimer, Leiter des geheimen Manhattan Projekts der USA, als Antwort in einem Interview von 1965 auf die Frage nach den ersten Reaktionen und Eindrücken der Beteiligten, als die erste, nukleare Bombe mit dem Codenamen „Trinity The Gadget“ zwanzig Jahre zuvor in der Wüste von New Mexico gezündet worden war.
„Manche lachten, manche weinten, die meisten waren still…Ich erinnerte mich an einen Vers aus der Hindu Schrift Bhagavad Gita. Vishnu versucht den Prinzen zu überreden seine Pflicht zu erfüllen (er soll in den Krieg ziehen) und um ihn zu beeindrucken, nimmt er (Vishnu) seine mehrarmige Form an und sagt: Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten. Ich denke mehr oder weniger haben wir das alle damals gedacht.“
In der Serie von Skulpturen, für die das Zitat Oppenheimers Titel gebend war, Now I am become death, the destroyer of worlds #1, #2 und #3, greifen Eggert/Ricklefs die präzise geometrische Anordnung der sogenannten Sprenglinsen in einer nuklearen Implosionsbombe auf. Dafür werden verschiedene, konventionelle Sprengstoffe so angeordnet, daß sie bei einer Zündung den atomaren Kern gleichmäßig kugelförmig verdichten, und so die Kettenreaktion, die zur nuklearen Explosion führt, im Material ausgelöst wird. Eine mögliche und besonders effiziente Anordnung dafür ist in der Form des abgestumpften Ikosaeders, so wie sie Eggert/Ricklefs für ihre Arbeit gewählt haben.
Die drei Arbeiten geben einen in Beton gegossenen Kern, in den das Zitat als Inschrift geprägt ist, in verschiedenen Anordnungen preis. Eine hochglänzend, schwarz lackierte Stahlkonstruktion, auf der die drei Polyeder stehen, scheint die sensible Balance der kritischen Masse, wie der quasi unverdichtete Zustand des Strahlenmaterials genannt wird, bevor er durch die Verdichtung überkritisch wird, widerzuspiegeln. Aus verschiedenen Perspektiven betrachtet scheint der Tisch mal stabil zu sein, mal droht er optisch umzukippen.
Die neun-teiligen Siebdruckarbeit Dawn over Zero leiht ihren Titel von dem Buch über die Geschichte der Atombombe von William Leonard Laurence. Laurence war der einzige Journalist und zivile Beobachter des Manhattan Projekts. Sogar beim Bombenabwurf über Nagasaki war Laurence dabei. Seine Rolle in der Gestaltung der öffentlichen Meinung über die Atombombe ist sehr fragwürdig, da er neben seiner Anstellung bei der New York Times auch vom damaligen amerikanischen Kriegsministerium bezahlt wurde. Er hat so bei seiner Berichterstattung systematisch Informationen über nukleare Gefahren und die Auswirkung von Strahlung verschwiegen. Ebenso war ein Wissenschaftsfreak und sein sprachlicher Enthusiasmus über die Entwicklungen in der Atomwissenschaft dürfen nicht unwesentlich gewesen sein in der Entstehung des Hypes um das „Atomic Age“.
Eggert/Ricklefs nutzen in Dawn over Zero die Eigenschaft der optischen Farbmischung, wie sie auch beim Offsetdruck zum Einsatz kommt, bei der alle Farben durch das Überdrucken von Cyan, Magenta und Gelb entstehen. Die vierte Farbe, das kontrastgebende Schwarz, haben die Künstler beim Druck jeweils um dreißig Grad weitergedreht, wodurch einzelne Farben ausgeblendet und die neun Drucke zu einem Lauf durch das physikalische Farbspektrum von weißem Licht werden.
Die Arbeit kann gelesen werden, als eine formale Interpretation des Vorgangs der Verstrahlung, bei dem vom Strahlenmaterial bzw. Nuklid emittierte Neuronen an die Atome der vorhandenen Stoffe und Elemente andocken und so neue Isotope, die mehr oder weniger schnell zerfallen und strahlen, entstehen. Die Verschiebung der einzelnen Druckebenen greift die Verschiebung der eigentlichen Natur der Dinge auf. Nach einer Verstrahlung sieht alles noch genauso aus wie vorher, aber die Stofflichkeit wurde auf der atomaren Ebene geändert und herkömmliche Materialien werden so zu tödlichen.
In ihren Arbeiten spüren Eggert/Ricklefs der Diskrepanz zwischen der Faszination für die Technik und Präzision der Berechnung auf der einen und dem Schrecken und Terror des Zwecks auf der anderen Seite nach. So ist die Serie von Siebdrucken We'll meet again, don't know where, don't know when (The Nukes) Ausdruck für die Naivität und einem fast kindlichen Entdeckergeist, mit dem Wissenschaftler damals an der Entwicklung der Einsatzmöglichkeiten für die Atombombe gearbeitet haben. Eggert/Ricklefs haben hier absichtlich „Fehldrucke“ erzeugt und diesen Unikaten assoziativ die geheimen Codenamen der einzelnen amerikanischen Atombombentests zugeordnet. Der Titel der Serie ist eine Hommage an den Film „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ von Stanley Kubrick, in dessen Endsequenz zahllose Atombombenexplosionen nacheinander eingespielt werden. Unterlegt mit dem Lied „We'll meet again“, das eins der populärsten Lieder aus der Zeit des zweiten Weltkriegs ist.
Heute knapp siebzig Jahre nach der ersten Testzündung eines nuklearen Sprengkopfes untersuchen Eggert/Ricklefs die damaligen Ereignisse aus der Sicht der Post-Informationsgesellschaft. Siebzig Jahre danach stehen nun Informationen und Materialien wie Filme und Fotografien zu den damaligen Ereignissen im Internet zur Verfügung, die damals streng geheim waren, wodurch eine Beschäftigung in einem ganz anderen Ausmaß möglich wird. Als Angehörige einer Generation, die durch die mediale Berichterstattung in den Achtziger Jahren zum Atomvorfall von Tschernobyl und der daraus resultierenden Stimmung und Haltung gegenüber atomarer Technik geprägt ist, sezieren Eggert/Ricklefs die Kluft zwischen dem Pioniergeist der Anfangstage atomarer Forschung und der von Nuklearwaffentechnik real ausgehenden Gefahr.