von Johnny Beton
In ihren jüngsten Arbeiten gehen Janine Eggert und Philipp Ricklefs der Bedeutung von Erhabenheit und Transzendenz in Relation zu unserer Gegenwart nach. Dabei untersuchen sie die psychologischen Komponenten, die beim Erleben erhabener Momente auf die menschliche Psyche einwirken.
Während ihre größeren, installativen Arbeiten (Ghost Rider, The Dynamic Sublime Device, A Diamond As Big As The Ritz, etc.) vor allem den Körper als unmittelbaren Erfahrungsort untersuchen, stellen die Vitrinen die Wahrnehmung des Betrachters in einem psychologischen Experiment neu auf.
Diese Arbeiten bestehen jeweils aus einem aus Aluminium gegossenem Objekt, das in einer Vitrine, die umlaufend mit Zwei-Wege Spiegeln ausgestattet ist, präsentiert wird. Durch Aneignung der technischen Prozesse des Alugiessens, stellen Eggert und Ricklefs diesen Guss selbst her. Dabei haben sie die erforderlichen Werkzeuge wie Schmelztiegel und Ofen eigens angefertigt und den Giessprozess ins Freie, an den Strand von Amrum verlegt, um den Sandboden als verlorene Form wie im Sandgußverfahren zu nutzen. Hierfür wird ein Modell aus Styropor an Ort und Stelle in den Strand eingebettet und vergraben. Durch einen im Sand angelegten Gusstrichter wird anschließend die Aluschmelze gegossen, die durch die Hitze das Styropor verdampfen läßt.
Bis hierhin ist der Prozess für die Künstler ein technisch kontrollierbarer Ablauf. Durch das Einfüllen der Schmelze in den Strandsand, der als natürlicher Stoff der Witterung und anderen Einflüssen zuvor ausgesetzt war, geben sie ihre Autorität jedoch an den Zufall ab. Denn beim Giessen wird die Form durch zu nassen oder zu lockeren Sand, durch andere Materialien und Einschlüsse verzerrt, verbrannt oder sogar zerstört.
Anstatt wie sonst üblich den Sand in die Werkstatt zu holen und den Formkasten damit zu befüllen, gehen Eggert und Ricklefs zum Sand hin und begreifen dessen Quelle, den Strand als Ort der Transformation. Wird doch ein fragiles Objekt aus einem leichten und schneeweißen Werkstoff vergraben und kurz darauf ein verzerrtes Abbild dessen in einem völlig gegensätzlichen Material, hart, silbrig und patiniert, wieder geborgen. Durch die Verborgenheit des Prozesses wird der Vorgang zur Metamorphose. Der technische Ablauf wird zur Alchemie.
Die Objekte, die so entstehen, haben in ihrer Unvollständigkeit, Zerstörtheit und ihrer fragmentarischen Existenz eine dystopische Ausstrahlung. Durch die Platzierung in einem unendlichen Raum, in den die physische Welt keinen Zutritt hat, da der Zwei-Wege Spiegel uns zwar den Innenraum der Vitrine sichtbar macht, aber den Durchblick versperrt, verlieren die Objekte jeglichen Maßstab und Verortung. An diesem Punkt beginnt das psychologische Experiment. Denn dadurch, daß die Alugüsse sich als zerstörte architektonische Fragmente in einem kontextlosen Raum befinden, wird im Betrachter ein Gespür für das Feine und Außergewöhnliche der Oberflächen und Formen ermöglicht. Weiterhin wird durch die Bezugslosigkeit ein Gefühl von Unerreichbarkeit und Unermesslichkeit gedanklich erzeugt.
Somit bilden diese Arbeiten den psychologischen Gegenpart zu den großen Installationen, die Janine Eggert und Philipp Ricklefs in ihrer Kollaboration seit 2005 entstehen lassen. Denn bereits das gemeinsame Diplom „A Diamond As Big As The Ritz“ (2009) aber auch die jüngst entstandene Installation „Ghost Rider“ (2015) befassen sich mit Varianten des Erhabenen. Letztere changierte in einem stillgelegten Industriedenkmal als eine ephemere Äußerung zwischen einer übersinnlichen Erscheinung und einem letzten Lebenszeichen der industriellen Betriebsamkeit. Das Werk besteht aus einer selbst entwickelten, computergesteuerten Rauchring-Kanone. Aus dem Dunkel einer langen Werkshalle heraus, schiesst sie horizontal einen Ring aus Nebel in Richtung des Betrachters. Alle paar Minuten wird dieser von solch einer Erscheinung überrascht.
Eine weitere Arbeit, die sich ebenfalls mit der Erfahrung des Erhabenen beschäftigt, ist die raumbezogene Skulptur „The Dynamic Sublime Device“ (2012). Sie ist inspiriert von dem Geschwindigkeitsunterschied in der Ausbreitung des Schalls zur Ausbreitung des Lichts, sowie dem Erleben dieses Phänomens beim Beobachten eines Raketenstarts. Die Struktur selbst stellt eine Sekunde der Tonaufnahme des Startgeräuschs der Apollo 11 Mission dar, skaliert auf die architektonische Form des Ausstellungsraums. Eggert und Ricklefs haben dessen Segmentierung als Time Code wahrgenommen. Für die Umsetzung haben die Künstler die Wellenform der Audiodatei auf einer selbst entwickelten Drehbank in Styropor geformt.